08.03.2022
Verein

Stark, mutig und erfolgreich

Sie haben an ihren Visionen festgehalten, sind vorweggegangen und haben Vereinsgeschichte geschrieben – die Frauen in der Eintracht-Familie. Wir erzählen die Geschichte von fünf von ihnen.

35.000 Zuschauer strömten ins Stadion, Girlanden schmückten die Tribünen, die Luft knisterte: Das erste Länderspiel am Riederwald 1922 zwischen Deutschland und der Schweiz ist bis heute ein geschichtsträchtiger Moment. Mindestens genauso beeindruckend wie das Geschehen auf dem Rasen, war allerdings die 42-jährige Frau, die mit Stift und Papier zwischen den vielen Männern auf der Tribüne saß und das Erlebnis für die Vereinsnachrichten festhielt: Martha Wertheimer – eine echte Vorreiterin. Als eine der ersten Frauen studierte sie an der Frankfurter Universität und schloss ihr Studium der Geschichte, Philosophie und englischen Philologie mit einer Dissertation ab. Anschließend begann sie als Redakteurin bei der Offenbacher Zeitung und setzte sich – entgegen aller Vorstellungen ihrer Zeit – für das Frauenwahlrecht ein. Vielseitig interessiert begann sie als passionierte Fechterin bei Eintracht Frankfurt und wusste auch dort ihr schriftstellerisches Talent einzusetzen. Als Schriftleiterin der monatlich erscheinenden Vereinsnachrichten berichtete sie unter anderem über das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1932 gegen den FC Bayern München, organisierte tatkräftig aber auch die jährlichen Weihnachtsfeiern im Verein. Ihren unerschütterlichen Mut bewies die Tochter jüdischer Eltern bis zum Schluss. Bevor sie 1942 wahrscheinlich im Vernichtungslager Sobibor verstarb, leitete sie die Jugendfürsorge der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und rettete zahlreiche Kinder, in denen sie ihnen die Flucht ermöglichte, die ihr selbst nicht gelang.

Ilse Bechthold: Leidenschaftliche Visionärin

Gesellschaftliche Einschränkungen für Frauen einfach akzeptieren, das konnte auch Ilse Bechthold nicht und ging mit Energie, neuen Ideen und unermüdlichem Einsatz voran. Welche Sportart sie bei der Eintracht betrieb, ist allerdings gar nicht so leicht zu beantworten. Dafür hatte sie viel zu viel Spaß daran, Neues auszuprobieren. Mit 21 Jahren wurde sie 1948 Vereinsmitglied und feierte seitdem als Leichtathletin ihre größten Erfolge. 26 Mal gewann sie die Hessischen Meisterschaften im Kugelstoßen und Diskurswurf, wurde fünffache Süddeutsche Meisterin und nahm als Diskurswerferin an Länderkämpfen der deutschen Nationalmannschaft teil. Als Eintracht Frankfurt eine Volleyball- und eine Basketballabteilung gründete, schloss sich Bechthold den jeweiligen Mannschaften an. Auch im Handball war sie eine der ersten Frauen. Doch nicht nur für sich selbst setzte die Trägerin der goldenen Verdienstnadel einiges in Bewegung. Als jahrzehntelanges Vorstandsmitglied der Leichtathletikabteilung und Verwaltungsratsmitglied engagierte sie sich bis ins hohe Alter unermüdlich im Verein und sorgte in verschiedenen hochrangigen Sportverbänden und -institutionen dafür, dass Frauen in der Leichtathletik die gleichen Disziplinen absolvieren durften wie Männer. Am 17. Mai 2021 verstarb im Alter von 93 Jahren eine, in den Worten von Peter Fischer, „leidenschaftliche Kämpferin für den Frauensport und große Persönlichkeit des Vereins“. Ihre Ideen und Erfolge tun es nicht.

Birgit Friedmann: Vorreiterin auf der Langstrecke

Als Birgit Friedmann nach 8 Minuten, 48 Sekunden und einer Millisekunde im holländischen Sittard 1980 ins Ziel einlief, war ihr vermutlich gar nicht bewusst, wie besonders dieser Lauf war und dass auch dieser wie die Erfolge von Ilse Bechthold lange nachwirken würde. Nicht nur, dass sie persönliche Bestzeit und deutschen Rekord über 3000 Meter gelaufen war. Nicht nur, dass sie dafür das Silberne Lorbeerblatt überreicht bekommen sollte, und auch nicht, dass sie damit persönlich den größten Titel ihrer Karriere feiern sollte. Birgit Friedmann ging mit diesem Lauf als erste Weltmeisterin in der Leichtathletik überhaupt in die Geschichte ein. Denn bevor die 3000-Meter-Distanz 1984 ins olympische Programm aufgenommen wurden, fand vier Jahre zuvor bereits die erste offizielle Weltmeisterschaft für Frauen statt. Die gebürtige Königsteinerin, die im gleichen Jahr schon persönliche Bestzeit auf ihrer Hausbahn im Waldstadion bei den hessischen Langstreckenmeisterschaften gelaufen war, stellte vorher bereits den deutschen Junioren-Rekord über 1500 Metern auf und wurde 1978 deutsche Meisterin bei den westdeutschen Leichtathletikmeisterschaften. Geschichte schreiben war anscheinend schon immer das Ding von Birgit Friedmann.

Beate Deininger: Gestalterin auf dem Hockeyfeld

Wenn Beate Deininger sich mit eben solchen Geschichten beschäftigt und dem Eintracht Museum einen Besuch abstattet, dann kommt sie meist nicht allein. Als Eintrachtlerin durch und durch hat sie einmal im Jahr eine Horde Kita-Kinder im Schlepptau und kann dem Nachwuchs nicht nur die zahlreichen Ausstellungsstücke präsentieren. Die 60-jährige Kitaleiterin weiß auch aus ihrer eigenen Sportlerinnenkarriere mit dem Adler auf der Brust einiges zu berichten. Fast 20 Jahre lang war die gebürtige Frankfurterin die Spielgestalterin im Mittelfeld des Hockeyteams und gewann 1991 mit der Eintracht die Deutsche Meisterschaft im Feld. 1982 debütierte sie in der deutschen Nationalmannschaft, sicherte sich 1985 und 1987 gleich zwei Europameisterschaftstitel und vertrat ihr Land bis 1988 in 56 Länderspielen. Bei der Weltmeisterschaft 1983 landete sie auf dem vierten Platz, als Olympiateilnehmerin sicherte sie sich mit dem Team die Silbermedaille. Auch heute noch ist sie ihrem Sport treu geblieben und gibt ihr Wissen nicht nur an ihre Kita-Kinder weiter, sondern ist auch im Jugendbereich bei der Eintracht als Trainerin tätig. Und vielleicht entdeckt sie dort ja auch ihre Nachfolgerin: Die nächste große Hockey-Nationalspielerin aus der Eintracht Familie.

Betty Heidler: Von Rekorden und Medaillen

Weltmeisterin 2007 in Osaka, Europameisterin 2010 in Barcelona, Olympia-Zweite in London, fünffache Sportlerin des Jahres in Hessen, Deutschlands Leichtathletin des Jahres – die Liste der Titel, die Betty Heidler im Laufe ihrer Karriere gesammelt hat, ist lang. So lang, dass auf den ersten Blick klar wird: Dahinter steckt eine Vollblutsportlerin und starke Frau – und das nicht nur im körperlichen Sinne. 2001 kam die gebürtige Ost-Berlinerin nach Frankfurt in ein Sportinternat, nachdem sie einige Jahre zuvor ihre große Leidenschaft entdeckte: das Hammerwerfen. Nur vier Jahre später wurde sie mit 22 Jahren erstmals Deutsche Meisterin und verteidigte den Titel bis 2012 in jedem Jahr. Mit 74,76 Metern krönte sie sich 2007 zur Weltmeisterin in Osaka und war spätestens damit an der absoluten Weltspitze angelangt, die sie über viele Jahre nicht verlassen würde. Dabei widmete sie ihr Leben einem Sport, der alles andere als im Fokus der Öffentlichkeit steht, vor allem im Frauenbereich. Immer wieder merkte sie an, dass Frauen im Hammerwerfen nicht gleichberechtigt seinen und deutlich weniger Wettbewerbe austragen könnten. Trotzdem oder gerade deshalb setzte sie alles daran, um durch ihre eigenen Leistungen den Sport nach vorne zu bringen. 2016 beendete die 38-Jährige ihre aktive Karriere und ist seitdem hauptberuflich als Polizeihauptmeisterin im Einsatz. Trotzdem fördert sie weiterhin vor allem junge Talente als Schirmherrin des Deutschen Junioren-Cups und steht als Vorbild für viele Nachwuchsleichtathletinnen.

Fünf Geschichte, fünf starke Frauen, die im Verein viel bewegt haben. Durch Mut, Selbstbewusstsein und Talent. Sie stehen stellvertretend für die vielen Kapitel, die schon geschrieben sind, und zahlreichen, die noch folgen werden. Vor zwei Jahren hat der Verein mit der Fusion mit dem 1. FFC Frankfurt ein neues Kapitel aufgeschlagen und ist seitdem erstmals mit den Frauen in der Fußball-Bundesliga vertreten. Ein Zeichen, dass das letzte Kapitel der Frauen im Verein definitiv noch nicht geschrieben ist. Ganz im Gegenteil.