zaehlpixelzaehlpixel
22.12.2020
Klub

„Feinfühlig, der perfekte Trainer“

Dietrich Weise (†86) ist der erfolgreichste Fußballlehrer der Eintracht. Grabowski, Kraaz, Körbel und Co. erinnern sich – und sprechen voller Hochachtung.

Zwei DFB-Pokalsiege mit der Eintracht, zwei Titel in einem Jahr mit zwei Jugendnationalmannschaften, zwei Amtsperioden bei den Adlerträgern. Dietrich Weise hat Spuren bei der Eintracht hinterlassen. Große Spuren, denn als einziger Trainer hat er in Frankfurt zwei große Titel gewonnen. Mit Grabi, Holz und Nickel holte er 1974 und 1975 den nationalen Pott; die Adlerträger Ralf Falkenmayer, Holger Anthes und Klaus Theiss gehörten zu seinem Team, das in nahezu identischer Besetzung 1981 erst die U18-EM und dann die U20-WM gewann. Ein Jahrzehnt nach dem ersten DFB-Pokalsieg der Eintracht kehrte er an den Riederwald zurück und führte eine blutjunge Truppe über die Relegation zum nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt.  

Einige Weggefährten erinnern sich an einen Mann, der kein Lautsprecher war und in Frankfurt große Fußstapfen hinterlassen hat – auf beiden Seiten der Otto-Fleck-Schneise und mit zwei unterschiedlichen Generationen von Eintracht-Spielen. Weltmeister Jürgen Grabowski war bei den DFB-Pokalsiegen dabei und schätzt Weises Analysen, Karl-Heinz Körbel bezeichnet Weise als „väterlichen Freund“, Armin Kraaz gehörte zehn Jahre später zu den Weise-Bubis und erinnert sich an ein Gespräch von Weise mit seinem Schuldirektor. Harald Krämer war ebenso wie Kraaz bei der Relegation 1984 dabei, während der frühere DFB-Mitarbeiter Klaus Koltzenburg sowie die Journalisten Dieter Hochgesand von der Frankfurter Rundschau und Hartmut Scherzer ihn über Jahrzehnte freundschaftlich und beruflich begleitet haben.  

Ich war noch Schüler auf einem Altsprachlichen Gymnasium in Frankfurt, es gab keine Vorteile für Sportler. Dietrich ist zum Schuldirektor gegangen und hat erwirkt, dass ich wenigstens Dienstagvormittags am Konditionstraining teilnehmen konnte.

Armin Kraaz

Jürgen Grabowski (76): Dietrich war ein Trainer, der total auf die Belange der Mannschaft eingegangen ist. Er war kein Polterer und hat immer versucht, die Mannschaft aufzubauen. Wir haben mit ihm zweimal den DFB-Pokal gewonnen und auch in der Saison danach wieder das Halbfinale erreicht, das wir erst nach Verlängerung gegen die Hertha verloren haben. Ich habe nur positive Erinnerungen an ihn. Er war ein Fußballlehrer, mit dem man sich gut unterhalten und gut ein Spiel analysieren konnte. Für mich war es ein großer Trainer. Wir werden ihn vermissen. 

Armin Kraaz (55): Für mich ist Dietrich Weise ein absoluter Glücksfall gewesen. Ich kam bei Branco Zebec in den Kader, im November gab es den Trainerwechsel. Ich war noch Schüler auf einem Altsprachlichen Gymnasium in Frankfurt, es gab keine Vorteile für Sportler. Dietrich ist zum Schuldirektor gegangen und hat erwirkt, dass ich wenigstens Dienstagvormittags am Konditionstraining teilnehmen konnte. Ansonsten habe ich nur Nachmittags mittrainiert und war dennoch Stammspieler in der Bundesliga. [Anm. d. Red.: Kraaz spielt in seiner ersten Saison in 28 Bundesliga- und den beiden Relegationspartien]. Das wäre heute undenkbar. Er hat mich trotzdem aufgestellt, hat den Umbruch vorangetrieben und viele Spieler eingebaut, die in den Vorjahren einige Deutsche Meisterschaften in der Jugend mit der Eintracht erzielt hatten. Beispielsweise Manni Binz, Andreas Möller, Thomas Berthold, Ralf Falkenmayer, Uwe Müller oder Harald Krämer. Er war für uns genau der richtige Trainer, und wir haben einen ordentlichen Ball unter ihm gespielt. Dietrich ist ein ganz feiner, mitunter feinfühliger Mensch gewesen. Empathisch, mitfühlend und einer, der sich um die Leute und seine Spieler gekümmert hat. Ein toller Trainer! Wir haben uns später immer mal getroffen, zum Beispiel im Museum. Es war immer ein Vergnügen. Er hat mir viel mitgegeben für meine Karriere als Spieler und Trainer.

Karl-Heinz Körbel (66): Dietrich Weise ist für mich ein väterlicher Freund gewesen. Er hat auf meine Karriere den größten Einfluss gehabt. Von ihm habe ich gelernt, was es bedeutet, Profi zu sein und welche Werte es beinhaltet. Seine große Stärke war seine Menschlichkeit. Er hat mir stets vermittelt, dass man als Profi eine Vorbildfunktion einnimmt und mir die Liebe zum Fußball und zur Eintracht vorgelebt. 

Harald Krämer (56): Für uns junge Spieler war Dietrich Weise ein Glücksgriff. Er hatte schon beim DFB mit einigen von uns zu tun und hatte dort große Erfolge. Er hat bei der Eintracht auf die Jugend gesetzt, zumal der Verein damals nicht in Geld geschwommen ist. Wir hatten die Möglichkeit, das zu zeigen. Er hatte immer ein offenes Ohr für uns und man konnte sich sachlich mit ihm unterhalten. Das Highlight aus meiner Sicht war natürlich die Relegation 1984, die wir mit ihm gegen Duisburg gewonnen haben, nachdem er uns zum Ende einer schwachen Hinrunde übernommen hatte. Es war eine schöne Zeit. Für sehr junge Spieler war es einer der besten Trainer, die es gab. Aber er konnte auch streng sein. An eine Geschichte erinnere ich mich gerne zurück, auch wenn sie damals nicht positiv für mich endete. Wir waren vor einem Heimspiel im Hotel in Bad Soden und ich kannte den Koch gut. Er hat mir unter das Steak mit Nudeln Sauce Bernaise gemischt. Plötzlich stand Weise hinter mir, dann habe ich beim Spiel auf der Bank gesessen. Als Karl-Heinz Körbel am Sonntag uns Tradispieler informiert hat, war ich sehr traurig.   

DFB-Pokalsieger 1975: Dietrich Weise steht rechts neben Jürgen Grabowski, der den Pokal in die Höhe reckt.

Klaus Koltzenburg (74): Dietrich Weise war der erfolgreichste Jugendtrainer des DFB und der erfolgreichste Trainer von Eintracht Frankfurt! Zudem war er Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger maßgeblich daran beteiligt, das Talentfördersystem beim DFB einzuführen. Wir haben somit einen der wertvollsten Jugendtrainer des DFB verloren. 2017 war er bei mir zuhause, dann sind wir mit dem Pokalexpress der Eintracht zum Finale nach Berlin gefahren. Er war ein feinfühliger, sensibler Trainer, der keine Hauruck-Aktionen gemacht hat. Dietrich hatte immer ein Herz für die Jugend und hat bei der Eintracht nicht nur die DFB-Pokalsiege gefeiert, sondern auch aus dem sogenannten Sonnenjahrgang 1962/63 die damals jungen Spieler in die Mannschaft geholt. So sind die Weise-Bubis entstanden.  

Dietrich Weise war ein sehr feiner, einfühlsamer, zuvorkommender Mensch, der nie laut war und die Nähe zu den Journalisten gesucht hat.

Hartmut Scherzer

Hartmut Scherzer (82): Wir haben beide 1973 in Frankfurt angefangen, als Dietrich Trainer bei der Eintracht und ich Sportchef bei der Abendpost/Nachtausgabe wurde. Die Zeiten damals im Umgang mit den Journalisten waren andere als heute. Als Ressortleiter einer Boulevard-Zeitung in einer Bundesliga-Stadt hatte man einen ganz anderen Einfluss als heute. Im Grauen Bock in Sachsenhausen haben sich Journalisten, Trainer und Spieler der Eintracht, des FSV und der Kickers getroffen und gemeinsam Apfelwein getrunken. Dietrich Weise war ein sehr feiner, einfühlsamer, zuvorkommender Mensch, der nie laut war und die Nähe zu den Journalisten gesucht hat. Viele Spieler haben ihm sehr viel zu verdanken und loben ihn in höchsten Tönen. Wir haben früher eng zusammengearbeitet, es wurde über die Jahre eine distanzierte Männerfreundschaft und ich habe ihn immer zu seinem Geburtstag angerufen. 

Dieter Hochgesand (80): Den Weg zum Erfolg zu suchen und ihn nach seinen Vorstellungen auch unerschüttlich zu gehen, war sein ganzes Ziel. Die Show für das Gelungene zu genießen, war sein Ding nicht. Selbst seine Emotionen wusste er meist gut zu verbergen. Wer in kritischen Momenten während eines Spiels Einblick zur Trainerbank hatte, durfte bestenfalls das leichte Trommeln mit der Hand auf Holz oder Stahl erwarten. Wenn das Team seine Wünsche erfüllte, blieb er visuell fast immer cool. Zu einer der wenigen „Freudensünden“ wurde nach dem ersten Pokalgewinn der Eintracht Besonderes geliefert: Hochgesprungen war der Trainer, die Arme triumphierend über Kopf und den Mund weit aufgerissen. „Ach. Bin ich das wirklich?“, lautete seine kopfschüttelnde Reaktion und es war, als würde ihn eine gewisse Scham durchlaufen. […] Die letzte Zeit war weder leicht noch kurz für ihn. Als ich ihn vor einem Jahr zur Weihnachtsfeier des FR-„Schlappekickers“ abholen wollte, ging es ihm schon nicht mehr gut. Die Fahrt fiel aus. In einer Seniorenpflege kämpfte er lange, am Ende vergebens. [Anm. d. Red.: Auszug aus einem Nachruf vom 21. Dezember in der Frankfurter Rundschau].