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26.08.2020
Klub

„Ein herausragendes Zeitzeugnis“

Buchvorstellung von Reporterlegende Hartmut Scherzer. Auf 735 Seiten kommt auch die Eintracht nicht zu kurz. „Welt Sport“ ist gewissermaßen sein Lebenswerk.

Als Hartmut Scherzer von einem Journalistenkollegen gebeten wird, den einen oder anderen Schwank aus seiner rund 70-jährigen Verbundenheit mit Eintracht Frankfurt zu erzählen, muss der frisch gebackene Buchautor die Geschichte „mit dem Holz vom WM-Finale 1974“ unbedingt noch erzählen. Exklusiv hatte Scherzer damals vor dem Endspiel berichtet, dass Hölzenbein in der Startaufstellung steht – und eben nicht der Gladbacher Jupp Heynckes. Nach dem Abschlusstraining hatte sich der heute 82-Jährige noch auf dem Platz (!) beim Betroffenen selbst erkundigt und sich später per Anruf im Hotel der Deutschen Nationalmannschaft versichert – auch bei Hölzenbein persönlich, zu dem er sich aufs Zimmer durchstellen ließ.

Bei dieser Anekdote musste freilich auch Eintracht-Vorstandsmitglied Axel Hellmann schmunzeln, der bei der zur Buchvorstellung einberufenen Presserunde neben Scherzer Platz genommen hatte. Journalisten auf dem Trainingsplatz, Anruf auf dem Hotelzimmer des Spielers – zwei Dinge, die „heute so wohl nicht mehr funktionieren“, wie Hellmann feststellte.

Diese Hölzenbein-Schote von 1974 ist nur eine von vielen sensationellen und sehr lesenswerten Erzählungen, von denen Hartmut Scherzer in seinem Buch „Welt und Sport“ auf 735 Seiten berichtet. Die smarte Reporterlegende hat viel zu erzählen, viel Bewegendes. Das ist kein Wunder, nach immer noch andauernder rund 60-jähriger Tätigkeit als Journalist mit der Erfahrung von 15 Fußballweltmeisterschaften, 21 Olympischen Spielen, 33 Frankreich-Rundfahrten und vielem mehr, darunter unter anderem die drei Jahrhundert-Boxkämpfe von Muhammad Ali in New York, Kinshasa und Manila. Als „Deutscher mit der Glatze“ hat er sich weltweit einen Namen gemacht, hat dabei Freundschaften zu den Größten des Sports aufgebaut, Einblicke erhalten, die kein anderer Journalist bekommen hat. In „Welt Sport“ versucht Scherzer, aus diesem reichen Schatz einen Teil zu erzählen und seine Leser auf einen Blick hinter die Kulissen mitzunehmen. Es geht dabei nicht primär um Titel und Tore, sondern um am eigenen Leib erlebte Hintergründe. Das Buch ist quasi sein Lebenswerk. „Ich erzähle, was ich selbst und wie ich es erlebt habe“, sagt Scherzer, der bei der Presserunde ein „komisches Gefühl“ hat, weil er erstmals nach 62 Jahren im Beruf den Journalisten gegenübersitzt – und nicht zwischen ihnen.

Das ist das Beste, was ich als Potpourri der vergangenen 60 Sportjahre kenne. Es zeigt gekonnt die Macht und Ohnmacht des Sports auf, anhand lebendiger Erzählungen.

Vorstandsmitglied Axel Hellmann

Freilich geht es nicht nur bei der 1974er-Geschichte mit Bernd Hölzenbein um die Eintracht. Im September 1949 hat Scherzer erstmals ein Oberliga-Spiel der Adlerträger besucht – und wie bei so vielen Geschichten kann er sich unglaublich gut an Details erinnern, er nennt beispielsweise in der Presserunde den Nürnberger Torschützen. Die Beziehung zur Eintracht ist für den heute in Heusenstamm wohnenden Scherzer also da, das sportliche Wohlergehen des Klubs aus seiner Heimat liegt ihm am Herzen. So ist Axel Hellmann auch Gastgeber der Presserunde zur Vorstellung. Das Vorstandsmitglied hat das Buch bereits komplett gelesen und auch das Vorwort verfasst. „Das ist ein herausragendes Zeitzeugnis der Welt. Das ist das Beste, was ich als Potpourri der vergangenen 60 Sportjahre kenne. Es zeigt gekonnt die Macht und Ohnmacht des Sports auf, anhand lebendiger Erzählungen“, findet Hellmann, der fasziniert davon ist, „wie die Eintracht mit dieser großen Welt des Sports in Einklang gebracht wurde.“

Dreieinhalb Jahre hat Hartmut Scherzer an dem Buch gearbeitet – neben seiner weiterhin andauernden Tätigkeit als Freier Journalist, die ihn auch fast zu jedem Heimspiel der Eintracht in den Deutsche Bank Park führt. Angefangen hatte der Vater zweier Töchter seine berufliche Laufbahn bei der United Press International, später war er Sportchef bei der Abendpost/Nachtausgabe. Seit deren Ende 1988 ist er als Freier Journalist überall auf der Welt unterwegs. Seine große Leidenschaft ist das Boxen, hier war er einst Deutscher Hochschulmeister und er steigt heute noch in den Ring. Die Freundschaften zu den Klitschko-Brüdern und Ali sind besonders intensiv, aber auch jene zu Eintracht-Markenbotschafter Jürgen Grabowski. Mittlerweile bezeichnet ihn die Frankfurter Rundschau voller Respekt als „Grandseigneur des deutschen Sportjournalismus“, die SZ nannte ihn einst „den verrücktesten deutschen Sportreporter“. Preise hat er zuhauf erhalten, Weltrekordler als WM-Berichterstatter ist er sowieso.

Das Buch „Welt Sport“ ist demnächst auch im Onlineshop der Eintracht für 25 Euro erhältlich.