Lange bevor der gebürtige Mörfeldener in die Rolle des Funktionärs bei Eintracht Frankfurt schlüpfte, war Ulrich in erster Linie Fan des Vereins. Von den Eltern als Kind erstmals ins Waldstadion mitgenommen, waren die Bande schon früh untrennbar geknüpft. „Es war die erste Saison der Bundesligageschichte“, erinnert sich Ulrich an den 3:2-Sieg über den VfB Stuttgart, den er am 7. März 1964 im Stadion verfolgte. 1974 besorgte sich Ulrich gemeinsam mit seiner Frau die ersten Dauerkarten, die Mitgliedschaft versteht sich von selbst.
Fußballerisch aktiv war Ulrich als junger Erwachsener wiederum bei Kickers Mörfelden. Parallel dazu rückte er mit nur 22 Jahren zum Präsidenten seines Heimatvereins auf, in dem er unter anderem auch einen Frauenfußballbereich etablierte.
Ehrenamt in neuer Dimension
Die dadurch angeeignete Expertise sollte über drei Jahrzehnte später auch Eintracht Frankfurt zugutekommen. 2011 aus gutem Willen als Stellvertreter des damaligen Abteilungsleiter Stephan Winterling eingestiegen, war der Schritt zu dessen Nachfolge in der Fußballabteilung des Vereins geebnet. Schon seit zehn Jahren kümmert sich Ulrich nun mit Hingabe um die Belange der 24 Fußballschiedsrichter von Eintracht Frankfurt, der SOMA-Mannschaften und der Tischfußballer.
Als sein Steckenpferd gilt gleichwohl der Frauenbereich, den er innerhalb kürzester Zeit mit großem Erfolg umkrempelte. Trainerteams, Nachwuchsbereich, medizinische Betreuung – „wir möchten uns in allen Feldern professionalisieren“, führt der 65-Jährige aus. Die Fortschritte sind unverkennbar: Die dritte Mannschaft der Eintracht-Frauen ist in der Regionalliga mittlerweile fest etabliert, die U17-Juniorinnen feierten mit der gesamtdeutschen Vizemeisterschaft jüngst die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte. Die Professionalisierung im Juniorinnenbereich schreitet mit den zu dieser Saison umgesetzten Umstrukturierungen weiter voran. „Unser Ziel ist es, den Spielerinnen eine gute fußballerische Ausbildung zu geben, sodass sie vielleicht irgendwann an den Profibereich anklopfen können“, betont Ulrich den Fokus auf die Nachwuchsarbeit bei Eintracht Frankfurt. „Besonders in der U17 wollen wir zudem auch in Zukunft wieder um die deutsche Meisterschaft mitspielen. Dabei dürfe aber auch die menschliche Komponente nie zu kurz kommen. „Viele Spielerinnen trainieren viermal pro Woche und das für quasi umsonst“, erklärt er den von ihm selbst mit Leib und Seele verkörperten Balanceakt, der mit dem Engagement im Verein einhergeht. Bei bis zu 30 Arbeitsstunden pro Woche erreicht die Bezeichnung Ehrenamt eine ganz neue Dimension. Ob Lizenz- oder Leibchen-Beschaffung, Trainerfrage oder Spielerwünsche, Ulrich hat für alle ein offenes Ohr.
Ein Leben für den Verein
Einzig an den Wochenenden steht der Vollblut-Eintrachtler manchmal vor einer Zerreißprobe: „Wenn die Profis und unsere Mädels gleichzeitig spielen, hat der Stadionbesuch Vorrang. In dieser Hinsicht schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, meint Ulrich fast schon entschuldigend.
Auch die Grenzen zwischen beruflichem und privaten sind für Ulrich nur noch schwer zu ziehen. So begleitet der reisefreudige Fan mit seiner Frau seit über 20 Jahren fast jedes Trainingslager der Bundesligisten. Der Ort, an dem er das Training der Profis dabei verfolgt, spielt in dieser Hinsicht eine untergeordnete Rolle, ebenso wie die mit scharfem Adlerauge verfolgten Einheiten: „Was es ausmacht sind die launigen Gespräche am Rande, wenn Alter, Beruf oder Herkunft unerheblich sind. Es gibt nur ein Thema: Eintracht Frankfurt. Der Fußball verbindet!“ Teilweise haben sich aus den immer wiederkehrenden Begegnungen echte Freundschaften entwickelt.
Logisch, dass bei diesem leidenschaftlichen Lebenswandel sportliche Triumphe wie Tragödien nicht ausbleiben. Der UEFA-Cup-Sieg 1980 ist für Ulrich genauso gegenwärtig („Siegtor Freddy Schaub“) wie die Pokalsensation 2018. Die Auf- und Abstiegsdramen sowieso. Allein das DFB-Pokal-Finale 1988 fand ohne Ulrich statt. „Meine Eltern hatten Goldene Hochzeit, nebenher lief das Radio“, erzählt der Abteilungsleiter Fußball, der auch den jüngsten Triumpf der Eintrachtler in Sevilla nicht verpasste. Das nervenaufreibendste Szenario fand allerdings abseits des Rasens statt, als 2002 der Lizenzenzentzug drohte. „Zum Zeitpunkt der entscheidenden Verhandlung war ich im Hotel essen, während mich ein Freund über das Handy auf dem Laufenden hielt. Als das Urteil gefallen war, sprang ich auf und schrie meinen Jubel heraus. Im Saal war urplötzlich Totenstille“, erzählt Ulrich mit einem Glanz in den Augen, als durchlebe er das Erlebnis wieder und wieder. „Meine Frau hat mich für verrückt erklärt.“
Meinem Chef war immer klar: wenn die Eintracht spielt, ist der Ulrich nicht greifbar.
Ottmar Ulrich
Aber wer Ulrich kennt, weiß woran er ist. Auch während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer Immobilienfirma für Großraumgaragen. „Meinem Chef war immer klar: wenn die Eintracht spielt, ist der Ulrich nicht greifbar. Das wurde akzeptiert.“ Zwei der vom Unternehmen gebauten Lagerhallen stehen mittlerweile auch am Riederwald. Wenn Ulrich also sagt, die Eintracht sei für ihn „allgegenwärtig“, gilt das gemessen an seiner historischen und organisatorischen Wirkungskraft nicht weniger auch umgekehrt.
Eintracht Frankfurt wünscht zum 70. Geburtstag alles Gute und freut sich auf viele weitere gemeinsame Jahre.