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23.02.2022
Verein

Die unschöne Seite

Schiedsrichter tragen viel Verantwortung und werden dabei leider immer häufiger Opfer von verbalen oder sogar körperlichen Attacken. Eintracht-Schiri Sebastian Beier spricht über seine Erfahrungen.

Sebastian Beier hat auch die Schattenseiten des Schiridaseins kennengelernt.

Dass es sich beim Fußball im Normalfall um eine Freizeitbeschäftigung handelt, die als Alltagsausgleich dienen und den Spaß am Spiel sowie die Freundschaft und den Respekt untereinander fördern soll, gerät leider immer häufiger in den Hintergrund - zu häufig. Immer wieder hört man – insbesondere in den vergangenen Jahren – von Übergriffen seitens Spielern, Funktionären oder Zuschauern gegenüber Unparteiischen. Vor allem mit Blick auf die unteren Ligen erscheint das eigentlich unvorstellbar, pfeifen Schiedsrichter doch in der Regel aus der Freude an dem Sport statt für horrende Geldsummen.

Der Spieler hat angekündigt, dass er nach dem Spiel auf mich warten würde. Das hat er auch gemacht. Er stand vor den Kabinen, ist nach dem Spiel auf mich losgegangen und hat mich an der Seite getroffen.

Sebastian Beier

Sebastian Beier pfeift seit einigen Jahren im Kreis Frankfurt und Umgebung Spiele bis zur Kreisliga A. Nicht jedes Spiel, das Beier leitet, geht dabei glimpflich aus – im Gegenteil: „Verbal kommt es sehr häufig vor, dass man angegangen wird“, erklärt der Unparteiische. Locker sitzende Sprüche, abwertende Kommentare oder schon persönliche Anfeindungen und Beleidigungen sind für viele Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter kein Neuland. Zudem ist es auch keine Seltenheit mehr, dass Grenzen endgültig überschritten werden.

„Ich habe in einer Partie mal eine rote Karte an einen Spieler verteilt, der mit der Entscheidung nicht einverstanden war. Daraufhin kam es schon zu vielen verbalen Auseinandersetzungen, wobei ich auch übel beleidigt wurde“, erinnert sich Beier zurück und ergänzt: „Der Spieler hat dann angekündigt, dass er nach dem Spiel auf mich warten würde, und das hat er auch gemacht. Er stand vor den Kabinen, ist nach dem Spiel auf mich losgegangen und hat mich an der Seite getroffen.“

Außergerichtliche Einigung

Glücklicherweise seien genügend Mitspieler und Verantwortliche in der Nähe gewesen, die eingesprungen sind, um den Spieler zurückzuhalten. Trotzdem entschied sich Beier dazu, auf das Duschen in der Kabine zu verzichten und direkt das Sportgelände zu verlassen, um den Vorfall noch am gleichen Tag bei der Polizei zu melden. Verurteilt wurde der Spieler für den Angriff aber nicht, stattdessen kam es zu einer außergerichtlichen Einigung. „Ich habe für mich entschieden, dass ich kein Geld bekommen möchte, es dem Spieler aber schon weh tun soll. Daher habe ich gesagt, dass der Spieler das Geld an die Schiedsrichtervereinigung Frankfurt spenden soll“, schildert Beier.

Nachdem er die Bestätigung der Schiedsrichtervereinigung erhielt, dass das Geld eingegangen ist, zog Beier die Klage zurück. Folgen hinterließ der Vorfall aber dennoch. „Man überlegt sich schon, warum man das überhaupt macht, denn eigentlich ist es nur ein Hobby, in dem es um gar nichts geht. Aber diese Gedanken habe ich auch bei verbalen Angriffen und Respektlosigkeiten. Normalerweise mache ich das ja aus Spaß, aber bei solchen katastrophalen Spielen überlegt man sich schon, warum man sich das antut“, berichtet Beier, der aber auch betont, dass er an 90 Prozent der Spiele sehr viel Spaß habe.

Sport und Persönliches trennen

Da Schiedsrichter dennoch häufig mit solchen Auseinandersetzungen konfrontiert werden, ist es notwendig, sich den passenden Umgang mit diesen Situationen anzueignen. „Ich versuche zuerst, mich in solchen Momenten zu distanzieren. Es gibt den Schiedsrichter Sebastian und die Privatperson Sebastian und die Spieler haben ein Problem mit mir als Schiedsrichter. Ich rufe mir das dann selbst nochmal in den Kopf und stehe darüber“, beschreibt der Unparteiische. Umso wichtiger sei daher auch das eigene Auftreten, da die Unsicherheit eines Schiedsrichters für die Spieler bemerkbar sei.

Obwohl diese Thematik in den vergangenen Jahren immer mehr Präsenz in der öffentlichen Wahrnehmung aufweist, handele es sich nicht um neues Problem. Sebastian Beier sieht sich schon seit seinen Anfängen im Schiedsrichterwesen mit diesen Gegebenheiten konfrontiert. „Es war schon immer so und hat sich weder verbessert noch verschlechtert. Oftmals trifft man auf Personen, die ihre Solidarität zwar aussprechen, aber an der Situation auf dem Platz ändert das bislang nichts. Und das ist ja das Entscheidende.“

Das ist eine tolle und spannende Tätigkeit, die einen auch persönlich weiterbringt. Sonst würde ich das nicht machen.

Sebastian Beier

In der jüngeren Vergangenheit gilt der Fall von Dr. Felix Zwayer als eines der prominentesten Beispiele hinsichtlich Anfeindungen gegenüber Schiedsrichtern. Zwayer löste durch seine Entscheidungen in dem Bundesligaspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München ein bundesweites Echo aus und zog den Zorn zahlreicher Leute auf sich, die ihn für die Niederlage des BVB verantwortlich machten. Die Diskussion erreichten – auch ob seiner Rolle in dem Wettskandal 2005 – solch ein Ausmaß, dass Zwayer sogar Morddrohungen erhielt.

„Der Fall von Felix Zwayer hat überhaupt nichts mehr mit Fußball zu tun. Wir haben etwas ähnliches vor einigen Jahren mit Babak Rafati erlebt, aber daraus hat auch niemand gelernt. Das, was dabei herauskommt, kann einfach nicht sein und ist eine Katastrophe“, äußert Beier klare Worte. Nicht unerhebliche sei laut des Unparteiischen auch die Beteiligung der sozialen Netzwerke. „Das spielt aus meiner Sicht eine sehr große Rolle, weil sich die Leute hinter ihrer Anonymität verstecken, eine große Reichweite erzielen und die ganze Thematik hochschaukeln können.“

Tipps an junge Unparteiische

Trotz der Umstände hat auch Sebastian Beier seinen Spaß am Schiedsrichterwesen nicht verloren. "Das ist eine tolle und spannende Tätigkeit, die einen auch persönlich weiterbringt. Sonst würde ich das nicht machen." Dementsprechend hat er für junge Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, die ähnlichen Situationen ausgesetzt sind, noch einige Ratschläge parat. „Wenn junge Leute negative Erfahrungen machen, sollten sie das bei erfahreneren Schiedsrichtern definitiv ansprechen. In Frankfurt gibt es beispielsweise auch das Tandem-Verfahren, in dem zwei Schiedsrichter gleichzeitig auf dem Platz stehen.“ Im Voraus kann aber auch ein Blick auf die Begegnungen schon in manchen Fällen helfen, um sich auf die Partien einzustellen. „Wenn ich sehe, dass das Hinspiel zwischen zwei Mannschaften schon abgebrochen wurde, nehme ich mir immer eine Person mit, die von außen mitbeobachtet. Das gibt mir schon eine gewisse Sicherheit“, sagt Beier.