Schon während seiner Rede musste Peter Fischer immer wieder kurz innehalten. Nachdem er seinen letzten Satz gesprochen hatte, wischte sich der Präsident die Tränen aus dem Gesicht. Damit war er nicht der Einzige an diesem Nachmittag im Deutsche Bank Park. Die Eintracht-Familie, Weggefährten, Freunde und Fans waren auf die Haupttribüne gekommen, um Abschied zu nehmen von Eintracht-Legende Jürgen Grabowski. Der Ehrenspielführer, UEFA-Cup-Gewinner, Welt- und Europameister war am 10. März im Alter von 77 Jahren in seiner Heimat Wiesbaden verstorben. Die Gedenkstunde fand nun an jenem Ort statt, an dem Grabowski 15 Jahre lang die Fans verzückte und vor 45.000 Zuschauern 1980 seinen Abschied vom Profifußball feierte.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Geburtstagskind Istvan Sztani aus der ‘59er-Mannschaft, der gebürtige Hanauer Rudi Völler, Journalist Hartmut Scherzer, Grabowskis Weltmeisterkollegen Bernd Hölzenbein und Wolfgang Overath, die ehemaligen Mitspieler Karl-Heinz Körbel und Ronny Borchers, die komplette aktuelle Lizenzspielermannschaft mit Trainerteam – um nur einige zu nennen, die anwesend waren, während sich Franz Beckenbauer krankheitsbedingt hatte entschuldigen lassen.
Die Gedenkstunde machte ihrem Namen alle Ehre. Das Gedenken an den vielleicht größten Fußballer von Eintracht Frankfurt aller Zeiten war mehr als würdig, der Rahmen entsprechend, und die Trauerfeier dauerte exakt eine Stunde. Zwischen den Reden wurden Lieder eingespielt, die Grabowskis Witwe Helga ausgewählt hatte – beispielsweise „You‘ll never walk alone“ in der Interpretation von Elvis Presley. Alleine wird sie auch in Zukunft nicht sein, das versicherte Peter Fischer. „Helga, die Eintracht-Familie steht immer zu dir“, betonte der Präsident, der als letzter zu den Gästen sprach.
„Schwarz-weiß wie Schnee“ im Chor
Danach sorgten „Im Herzen von Europa“ und „Schwarz-weiß wie Schnee“ mit der Liedzeile „Sie spielten so gut und sie spielten so schön, mit dem Jürgen Grabowski“ für den Gänsehautabschluss, bei dem teilweise das ganze Publikum intonierte und die Schals in die Luft hielt. Durch das Programm hatte Stadionpfarrer Eugen Eckert geführt.
Jürgen Grabowski gehört ein Platz in den Geschichtsbüchern des Fußballs.
Bernd Neuendorf, Präsident Deutscher Fußball-Bund
Stadtrat und Sportdezernent Mike Josef sprach für die Stadt Frankfurt: „Wir haben dir sehr viel zu verdanken, die Stadt wird dir ewig verbunden bleiben. Vor allem sein Charakter haben ihn zu einem echten Botschafter der Stadt gemacht. Trotz großer Erfolge war er immer bodenständig, demütig, nahbar, bescheiden und ein zutiefst sozialer Mensch. Wir sind alle Fans von dir gewesen.“
Bernd Neuendorf hatte unterdessen seinen ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Wahl zum DFB-Präsidenten. „Jürgen Grabowski gehört ein Platz in den Geschichtsbüchern des Fußballs. Aber er bleibt auch so unvergessen wegen seiner Erfolge und seines feinen Charakters. Den Adler trug er bei der Eintracht und beim DFB mit voller Hingabe. Die Nationalmannschaft war seine zweite Heimat. Er war ein echter Teamplayer, der den Erfolg der Mannschaft stets über sein eigenes Ego stellte. Jürgen war sportlich und menschlich einer der größten deutschen Nationalspieler. Die Nationalspieler und der DFB sagen vielen Dank!“
Jürgen war nicht nur der beste Fußballer, den die Eintracht je hatte. Er war auch ein ganz, ganz feiner Kerl.
Wolfgang Overath, Weltmeister 1974
Im Namen der Weltmeistermannschaft von 1974 ergriff Wolfgang Overath das Wort. „Jürgen war nicht nur der beste Fußballer, den die Eintracht je hatte. Er war auch ein ganz, ganz feiner Kerl. Mit ihm in einer Mannschaft zu spielen, hat mir immer große Freude bereitet“, sagte Overath, der auch von Grabowskis erster Weltmeisterschaft 1966 berichtete, als der Frankfurter nicht zum Einsatz kam. „Vielleicht, weil er der bravste von uns war.“ Vor dem Training bei der Nationalmannschaft sei oft Vier-gegen-zwei gespielt worden. „Mach‘s gut mein Freund, wir sehen uns beim Spiel Vier-gegen-zwei wieder, in dem auch keiner in die Mitte gehen will. Wir werden dich in bester Erinnerung behalten.“ Mit stehenden Ovationen wurde Overath bei seinem Weg zurück ins Publikum verabschiedet.
Wie gewohnt hielt Peter Fischer eine sehr emotionale Rede, nach der sich der Präsident die Tränen aus dem Gesicht wischen musste. „Jürgen, du hast immer für die Eintracht gesprochen, es war immer deine Mannschaft, du hast die Jungs auch nach schlechten Leistungen verteidigt. Dein Leben war die Eintracht. Wir werden immer über dich reden, unser Liedgut mit dir wird immer bleiben. Mach’s gut Jürgen, da oben warten ein paar Kerle auf deine Dribblings.“
Am Rande der Veranstaltung sprachen einige der Gäste mit EintrachtTV
Rudi Völler, Geschäftsführer Sport Bayer 04 Leverkusen: Grabi war für uns vor den Toren Frankfurts [Völler ist in Hanau aufgewachsen; Anm. d. Red.] in den 1970ern ein Idol. Seine Ballan- und Mitnahme, seine Leichtigkeit, er hat mit rechts und links geschossen – es hat einfach Spaß gemacht, ihm zuzuschauen. Ein toller Mensch, ein toller Fußballer.
Dragoslav Stepanovic, früherer Mitspieler: Das war sehr bewegend für mich. Ich kam als junger Spieler zur Eintracht, hatte eine Woche Probetraining. Der Trainer war sich nicht sicher, ob er mich verpflichten möchte. Da fragte er Grabi, und er bejahte. Ich habe es also ihm zu verdanken, dass ich bei der Eintracht gelandet bin.
Dieter Kürten, früherer ZDF-Reporter und Wegbegleiter: Er war immer ein fröhlicher, angenehmer und liebenswerter Mensch. Und als Fußballer brillant! Später haben wir uns öfter beim Golfen getroffen, Grabi war ein glänzender Golfspieler mit einem einstelligen Handicap.