„Eintracht Frankfurt ist ein schlafender Riese, eine erstklassige Fußballmarke mit einer großen Tradition“, so begründete Octagon-Chef Frank Lowe vor 20 Jahren den Investmenteinstieg der von ihm geführten amerikanischen Sportmarketingagentur in die frisch gegründete Eintracht Frankfurt Fußball AG. Aspekte der Liquiditätssicherung waren damals für die Mitglieder ausschlaggebend, um der Ausgliederung der Fußballabteilung aus dem Mutterverein zuzustimmen. Seitdem nimmt die Gesellschaft am Spielbetrieb teil und ist zugleich für das operative Geschäft und die wirtschaftlichen Belange der Fußballprofis zuständig. Damit einher ging eine Partnerschaft mit der Octagon Inc., die einen Anteil von 19,1 Prozent an der AG erwarb und die Übernahme des Betriebs des Waldstadions im Sinn hatte. „Wir glauben fest an das enorme Potential des Vereins aufgrund der großen Fangemeinde“, erläuterte Lowe damals.
Er sollte Recht behalten, am gesamtheitlichen Aufschwung aber nur kurzzeitigen Anteil haben. Denn 2002, nur ein Jahr nach dem Abstieg in Liga zwei, wendete sich Octagon überraschend von der AG ab und die Zukunft des Profifußballs stand nach dem Absprung eines potentiellen Neuinvestors in letzter Minute einmal mehr vor einem ungewissen Schicksal. Die Zwangsversetzung in den Amateurbereich drohte, denn die DFL Deutsche Fußball Liga verweigerte der SGE die Lizenz für die Spielzeit 2002/03, die in einem nervenzehrenden Prozessmarathon vor dem Schiedsgericht zurückerkämpft wurde und bis weit in den Juli hinein vor ordentlichen Gerichten gegen die SpVgg Unterhaching, die vom Zwangsabstieg profitiert hätten, verteidigt werden musste. Mit Hilfe zahlreicher Sponsoren und Förderer aus der Region, die Vertrauen in den Weg der Konsolidierung setzten, gelang es am Ende, die Saison zu finanzieren und die wirtschaftlichen Kriterien der DFL zu erfüllen. Trainer Willi Reimann führte das Team unter diesen denkbar schlechten Start-Voraussetzungen 2003 fast schon sensationell zum Wiederaufstieg. Das heute noch legendäre 6:3 gegen den SSV Reutlingen bescherte den Hessen als Drittplatzierten das um einen Treffer bessere Torverhältnis gegenüber dem von Jürgen Klopp trainierten 1. FSV Mainz 05. Zu Beginn der Rückrunde der Saison 2003/04 trat Heribert Bruchhagen das Amt des Vorstandsvorsitzenden an. Der erneute Abstieg nach nur einem Jahr im Oberhaus konnte jedoch nicht mehr verhindert werden, der Neuaufbau war gleichwohl in vollem Gange. Im Folgejahr konnte sich die Eintracht unter Trainer Friedhelm Funkel ohne spektakuläre Transfers neu aufstellen und erneut als Tabellendritter aufsteigen.
2005 wurde das neue Waldstadion, das fortan Commerzbank-Arena heißen sollte, nach dreijähriger Bauzeit eingeweiht. Die Fußball AG startete parallel eine Kooperation mit dem internationalen Hamburger Sportrechtevermarkter Sportfive, das später in Lagardère Sports übergehen sollte. Nach zuvor unruhigen Zeiten und der Wahrnehmung als Fahrstuhlmannschaft etablierte sich die Eintracht im Anschluss im Oberhaus und blieb bis auf eine Saison 2011/12 in den vergangenen 15 Jahren erstklassig. Unter derlei Gesichtspunkten hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt im Stadtwald schier Unglaubliches entwickelt – nicht nur auf dem Platz. Im Herbst 2010 entstand auf dem Vereinsgelände am Riederwald das regelmäßig vom DFB mit maximalen drei Sternen zertifizierte Nachwuchsleistungszentrum, das neben Funktionsräumen und einer Dreifeldsporthalle auch ein Jugendinternat beherbergt. Aktuell nimmt auch das ProfiCamp neben dem Stadion, wo ab 2021 alle Mitarbeiter unter einem Dach arbeiten sollen, immer deutlichere Konturen an. Der Antrieb dahinter: die einzelnen Bereiche von Eintracht Frankfurt noch besser zu verzahnen.
Kostprobe für Europa
Im Sommer 2011 stellte sich der Verein nach dem Abstieg in Liga zwei zudem personell neu auf. Armin Veh übernahm als neuer Trainer die sportliche Verantwortung und Bruno Hübner heuerte bis heute als Sportdirektor an. Ein Jahr später erhielt auch der Vorstand mit Axel Hellmann, unter anderem Gründungsvater der mitgliederstarken Fanabteilung des Vereins, ein neues Gesicht. Nach dem direkten Wiederaufstieg unter Veh beendete die Eintracht die Saison 2012/13 auf einem nicht für möglich gehaltenen sechsten Tabellenplatz und qualifizierte sich so für die Play-offs der UEFA Europa League. Die Personalpolitik, mit einer Mischung aus hoffnungsvollen Talenten wie Sebastian Rode und Sebastian Jung sowie gestandenen Profis wie Alex Meier und Pirmin Schwegler ein hungriges Team aufzubauen, ging komplett auf und die Adler begeisterten mit leidenschaftlichem Tempo- und Offensivfußball. Die zu Hause wie auswärts zelebrierten Europapokalfeste der folgenden Saison sorgten bei allen, die dem Verein nahestehen, für ungeahnte Glücksgefühle. Diese wurden mit den magischen internationalen Nächten in den Spielzeiten 2018/19 und 2019/20 Sogar nochmal getoppt. Im Jahr 2019 erreichte die Eintracht das Halbfinale der UEFA Europa League gegen Chelsea FC und stand unweigerlich im internationalen Rampenlicht.
National lief es dagegen weniger spektakulär, aber immer solide. Eher schleppend kamen die Adler zum Beispiel in die Saison 2014/15, nachdem Trainer Armin Veh und einige Leistungsträger den Verein verlassen hatten. Dennoch landete die Eintracht am Ende der Saison auf Tabellenplatz neun. Großen Anteil daran hatte vor allem das Sturmduo um Haris Seferovic und Alexander Meier – letzterer sicherte sich in dieser Spielzeit mit 19 Treffern sogar die Torjägerkanone. Nach dem Klassenerhalt über die Relegation 2016 war bei der Eintracht zu Beginn der Saison 2016/17 vieles neu: Spieler kamen und gingen, der Betreuerstab um Trainer Niko Kovac wuchs und auf den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen folgte Fredi Bobic. Gemeinsam mit den Vorstandskollegen Axel Hellmann und Oliver Frankenbach leitet der 48-Jährige seitdem die Geschicke am Main. Neben den internationalen Erfolgen erreichte die Eintracht zweimal hintereinander das DFB-Pokalendspiel und konnte nach der Niederlage 2017 gegen Borussia Dortmund ein Jahr später mit einem sensationellen 3:1 über den FC Bayern München erstmals seit 1988 wieder einen Titel gewinnen und sich für das 0:1 im Finale 2006 unter Friedhelm Funkel und schon damals mit Marco Russ im Kader revanchieren.
Die Adler feierten in dieser Phase nicht nur auf, sondern auch neben dem Rasen beeindruckende Erfolge: Die Mitgliederzahlen des Vereins explodierten unter der Regie des im Juli 2000 gewählten und amtierenden Präsidenten Peter Fischer von Anfang des Jahrtausends 5.000 auf mittlerweile über 90.000, die Social-Media-Reichweiten schnellten ebenso exorbitant in die Höhe, wie zwei „Deutsche Meisterschaften“ 2017 und 2019 zeigen. Mit den Büroeröffnungen in New York und Peking hat sich die Eintracht internationalisiert und stärker digitalisiert.
Zugleich verlor der Verein nie sein Gefühl für die Basis und seine Geschichte, wie sich an der Eröffnung des Museums, der Fußballschule und Traditionsmannschaft zeigt. Damit einher ging auch eine rasante Umsatzentwicklung. In der Spielzeit 2018/19 stellte der Verein mit 201,4 Millionen Euro einen Umsatzrekord auf. „Das, was wir hier erleben, ist außergewöhnlich. Wie sich Eintracht Frankfurt präsentiert und wahrgenommen wird, das hat sich total verändert“, sagte Eintracht-Finanzvorstand Oliver Frankenbach 2019. Zuvor hatte die Eintracht ihre Partnerschaft mit Lagardère Sports vorzeitig beendet, um den Verein in Eigenregie zu vermarkten.
Die Unterzeichnung dieses Vertrages wird für weitere 15 Jahre die Gesamtentwicklung der Eintracht mitbestimmen und prägen. Alles, was wir unter dem Adler daraus machen, wird darauf gründen – Ausbau, Digitalisierung und Konzerte.
Vorstandsmitglied Axel Hellmann
Mit der Fusion der Eintracht mit dem 1. FFC Frankfurt stellt sich der Verein nun auch im Bereich des Frauenfußballs breiter wie professioneller auf. „Der 1. FFC hat die Geschichte des deutschen Frauenfußballs in den vergangenen 20 Jahren geprägt wie kein anderer Klub und Frankfurt zu einem herausragenden Standort für den nationalen und internationalen Frauenfußball werden lassen. Dies in einem veränderten Wettbewerbsumfeld zu erhalten, sehen wir für Frankfurt und Hessen, aber auch für den deutschen Spitzenfußball der Frauen als wichtige Aufgabe an“, so Axel Hellmann.
Neben dem 20. Geburtstag der Eintracht Frankfurt Fußball AG feiern die Adler am 1. Juli vor allem den gestern am Dienstag unterzeichneten Vertrag als Hauptmieter des Deutsche Bank Parks, in dem die Eintracht zukünftig ihre Heimspiele austragen wird. Die Deutsche Bank ist Nachfolger der Commerzbank, die die Eintracht in den vergangenen 15 Jahren partnerschaftlich unterstützt hat. „Die Unterzeichnung dieses Mietvertrages wird für weitere 15 Jahre die Gesamtentwicklung der Eintracht mitbestimmen und prägen. Alles, was wir unter dem Adler daraus machen, wird darauf gründen – Ausbau, Digitalisierung und Konzerte.“ Neue Möglichkeiten der Selbstbestimmtheit, deren Fehlen nach der Jahrtausendwende in der Folge beinahe zum Zwangsabstieg geführt hätten – als es mehr um Überleben als Erlebnisse ging.