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23.07.2021
Klub

Aufstiegsheld und Meistertrainer mit großem Herz

Alexander Schur feiert an diesem Freitag seinen 50. Geburtstag. Weggefährten erzählen die schönsten Anekdoten.

„Das ist geiler als Sex. Meine Freundin möge mir verzeihen.“ Nein, diesen Satz hat nicht Alexander Schur gesagt, der an diesem Freitag 50 Jahre alt wird. Aber der Satz wäre nie gefallen, wenn jener Alexander Schur nicht dieses eine Tor geköpft hätte. 25. Mai 2003, Waldstadion Frankfurt, Gegner ist der SSV Reutlingen. Jeder Eintracht-Fan weiß, um was es an diesem Tag geht. Es läuft die 90. Minute, die Adlerträger haben im Fernduell mit dem 1. FSV Mainz 05 um den Aufstieg schon mächtig aufgeholt, aber einer muss noch rein. Und geht auch rein. Weil die Nummer 24 der Adlerträger im Strafraum hochsteigt und einnickt. 6:3, Abpfiff, Aufstieg! Ach ja: Chris Berdrow ist der Mann, der am FFH-Mikro seiner Gefühlswelt freien Lauf lässt. Seine Freundin hat ihm bestimmt verziehen.

Ein Jubel für die Ewigkeit: Alexander Schur besiegelt den Aufstieg 2003 im letzten Augenblick.

Jener 25. Mai 2003 war sicherlich der einprägsamste Höhepunkt in der aktiven Fußballerkarriere von Alexander Schur. 251 Spiele hat der Jubilar für Eintracht Frankfurt bestritten, 276 Spiele waren es in den beiden höchsten deutschen Profiligen. Bemerkenswert: bis zum Ende seiner Profikarriere im Sommer 2006 hat er ausschließlich für Frankfurter Vereine auf dem Platz gestanden. Aufgewachsen ist „Schui“ in Bockenheim, sein erster Verein war mit dem VfR ein Klub aus diesem Frankfurter Stadtteil. Es folgten sechs Jahre bei Rot-Weiss Frankfurt mit unter anderem Jürgen Klopp, Armin Kraaz und Christian Peukert. Nach einem Jahr beim damals frisch in die Zweite Liga aufgestiegenen FSV Frankfurt unter Trainer Klaus Gerster kam Schur zur Eintracht – und blieb dort bis 2006. Zwei Mal (Rot-Weiss, Eintracht) holte ihn dabei Trainer Dragoslav Stepanovic in die Mannschaft.

Doch was macht Alexander Schur aus? Was ist er für ein Mensch? Welche besonderen Erlebnisse verbinden Weggefährten mit ihm?

Anruf bei Christopher Bartenheier, einem väterlichen Freund, treuer Eintrachtler. Es dauert nicht lange, da ist das Telefon auf laut gestellt und drei Generationen möchten etwas über Alexander Schur sagen. Als genügsam, offen und witzig wird „Schui“ beschrieben. „Er gibt für die anderen mehr als für sich selbst. Für ihn sind alle gleich. Er kann super mit Kindern umgehen, hat ein großes Herz. Wenn man ihn braucht, ist er da“, so die Statements zusammengefasst. Eine Anekdote bitte noch? Kein Problem für „Buddy“. „Alex ist manchmal bisschen vergesslich. Unter Willi Reimann ist er mal nicht ins Training gekommen. Da hat Willi gesagt: ‚Das habe ich die ganze Saison befürchtet, jetzt brauchen wir auch keine Geldstrafe mehr. Ich bin froh, dass das nicht früher passiert ist.‘“

Einst Trainerkollegen und noch heute dicke Freunde: Patrick Glöckner (l.) und Alexander Schur.

Verpeilt ist Schur schon manchmal, das bestätigt auch sein langjähriger Freund Patrick Glöckner. Der aktuelle Trainer von Waldhof Mannheim hat eine Geschichte parat, in der beide nicht 100-prozentig aufgepasst haben. Die Kurzversion: Glöckner und Schur wollten beim Mittagessen in einem Trainingslager auf Gran Canaria auf die vermeintlich kostengünstige Version setzen, kauften sich Nudeln und Sahne im Supermarkt und steuerten für ein bisschen Schinken einen Metzger an. Dieser verstand kein Wort, geredet wurde mit Händen und Füßen, der Metzger schnitt und schnitt. Aber nicht irgendeinen, sondern einen seltenen Stierschinken. „Wir haben mehr bezahlt als in einem Restaurant, an denen wir vorher noch vorbeigelaufen waren, weil sie uns zu teuer waren.“

Glöckner, unter seinem früheren Mitspieler einst auch Co-Trainer am Riederwald, beschreibt Schur als eine „faire, menschliche und aufmerksame Persönlichkeit. Seine soziale Kompetenz ist herausragend, er ist immer ehrlich, offen und hat einen guten Humor. Manchmal ist er ein bisschen naiv und möchte in allem das Positive sehen. So wie ich“, erzählt Glöckner. Letzteres trifft sicherlich auch auf die Metzger-Story zu, als beide den Verzehr des Schinkens zelebrierten, als „ob es Gold gewesen wäre.“ Noch heute sind beide dicke Freunde.

Ebenso wie Schur und Uwe Bindewald. Gemeinsam waren sie Profis, gemeinsam coachten sie am Riederwald, gemeinsam sind sie heute Markenbotschafter sowie Botschafter des Hessischen Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands (HBRS), sie spielen gemeinsam in der Traditionsmannschaft und arbeiten auf der Geschäftsstelle von Eintracht Frankfurt. Und gemeinsam haben sie ihr Abschiedsspiel veranstaltet, 10.000 Zuschauer kamen für die beiden waschechten Adlerträger einst nach Bad Homburg. „Mit niemand anderem hätte ich dieses Spiel gemacht“, sagt Schur. Und Bindewald erzählt: „Wir haben uns bei der Eintracht kennengelernt. Er schafft es trotz kleiner Verpeiltheiten immer, die optimale Leistung rauszuholen. Das hat ihn früher als Spieler ausgezeichnet, und so habe ich ihn auch als Trainer erlebt.“

Meisterstück: Alexander Schur führt die U17 der Eintracht 2010 zur B-Junioren-Meisterschaft.

Definitiv die optimale Leistung herausgeholt hat Schur in der Saison 2009/10 aus seiner U17, die er als Trainer zur Deutschen Meisterschaft führte. Sein Kapitän damals: Erik Wille. Der heute 28-Jährige war 2003 beim Finale Furioso gegen Reutlingen Einlaufkind bei den Gästen. „An diesem Tag wurde er für mich zur lebenden Legende. Später war er mein Trainer. Egal, wie schwierig die Situation war, Alex wusste, welche Veränderungen vorgenommen werden mussten, und vor allem, wie er mit uns Jungs umgehen musste. Das sind Qualitäten, fachlich wie menschlich, die es in dieser Ausprägung nicht oft gibt“, erzählt Wille.

2015/16 zählte Alexander Schur zum Trainerteam von Armin Veh.

Erst nach der Deutschen Meisterschaft absolvierte Schur den Lehrgang zum Fußballlehrer und zählte bei den Profis zum Trainerteam von Armin Veh in der Vorbereitung auf die Saison 2015/16. „Er hatte den Spitznamen ‚Schnitzel‘“, lacht Veh. Der Grund: Eine Ansprache an die Mannschaft vor einem Testspiel beendete er mit dem Satz: „Und heute klopfen wir die hier wie ein Schnitzel.“

Alex ruhte sich nie auf seiner Vergangenheit als Aufstiegsheld aus.

Axel Hellmann, Vorstandssprecher Eintracht Frankfurt

Trotzdem arbeitet Schur heute nicht mehr als Trainer. Schon direkt nach seiner Karriere hat er ein Praktikum beim RMV und später bei der Eintracht absolviert, dazu ein Fernstudium zum Sportmarketing-Fachwirt. Dass er heute im Bereich Sales und Marketing arbeitet, ist also keineswegs Zufall. Axel Hellmann, Vorstandssprecher und zu Zeiten von Schurs Praktikum Geschäftsführer beim Verein am Riederwald, sagt: „Alex ruhte sich nie auf seiner Vergangenheit als Aufstiegsheld aus. Er war sich nie zu schade, alles zu tun und zu lernen, was bei Eintracht Frankfurt außerhalb des großen Profifußballs stattfindet. Das hat mich beeindruckt.“

Einer, der Alexander Schur schon lange kennt, ist Ingo Durstewitz. Der Redakteur bei der Frankfurter Rundschau kickte schon als kleiner Junge mit dem späteren Defensivspezialisten. „Alex ist ein Familientier, ein Kampfschwein, eine treue Seele. Unverbiegbar, unzerbrechlich, unverwüstlich. Loyal und willensstark.“

EFC benennt sich nach Schur

Das geht auch in die Richtung, warum Mario Mechtel und ein paar Kumpels einst auf die Idee kamen, einen Eintracht-Fanclub nach Schur zu benennen. „2004 sind wir in Hamburg abgestiegen. Die EFC-Gründung war eine ‚Jetzt-erst-recht-Aktion‘. Und warum Schui? Nicht erst seit Reutlingen ist er eine absolute Legende, sein Einsatzwille und seine Art sind überragend. In der ersten Sekunde der Gründung war klar, dass wir ihm den Namen widmen.“ Dass die Jungs in der Jugend Karl May gelesen und auf der Rückfahrt nicht nur antialkoholisch getrunken hatten, dürfte zu dem Namen des Fanclubs geführt haben: EFC oldSCHURhand.

Frau Ilona sowie die drei Söhne Patrick, Sebastian und Leonard werden an diesem Tag sicherlich zu den ersten Gratulanten gehören. Eintracht Frankfurt gratuliert an dieser Stelle seinem Aufstiegshelden und Meistertrainer recht herzlich zum 50. Geburtstag!